EINHEIT
Gestaltungswettbewerb für ein Freiheits- und Einheitsdenkmal in Berlin, Kronprinzenpalais, Berlin, 2009
Einheit ist ein zweischneidiges Schwert und kann zu Vereinheitlichung, Gleichschaltung oder Vereinnahmung - dem Ende jeder Freiheit führen. Dabei setzt Einheit Vielheit und Verschiedenartigkeit voraus. Sich in Freiheit zu vereinen ohne zu vereinnahmen heißt, bestehende Unterschiede als Qualität wertzuschätzen. Die friedliche Revolution, die in der Wiedervereinigung Deutschlands mündete, war nicht selbstverständlich. Sie basierte auf der Zivilcourage und dem Zusammenwirken unzähliger Einzelpersonen. Das neue Denkmal für Einheit und Freiheit ist weder Herrschern, Heroen oder einem ganzen Volk gewidmet, sondern jedem einzelnen Menschen, dem es gelingt, Druck friedvoll zu begegnen und Andere mit Respekt zu behandeln.

Es beansprucht das identische Raumvolumen des einstigen Nationaldenkmals, übernimmt 1:1 die Abmessungen der Außenhäute und bildet sie vollständig aus Glas nach. Die abstrakte Rekonstruktion der äußeren Form und Fassade setzt die von Montage und Demontage geprägte Tradition des gesamten Areals fort und begegnet nicht nur dem geplanten Wiederaufbau des Schlosses mit einer ironisch überhöhten Handlung. EINHEIT besteht überwiegend aus statisch tragendem Glas (transparent/transluzent/halbdurchlässig/verspiegelt), kombiniert mit einer Konstruktion aus Edelstahl. Glas gestattet einen lichtdurchlässigen Raumabschluss und bildet einen Körper, der abhängig von den jeweiligen Lichtverhältnissen und dem eigenen Standpunkt nahezu zu verschwinden scheint oder aber in seinem gesamten Volumen präsent ist. Kostbar, verletzlich, aber auch widerstandsfähig, abweisend und verletzend entspricht Glas in seiner Ambivalenz dem Begriff der "Einheit". Das neue Denkmal verzichtet auf martialische Figuren und Trophäen, die von Krieg und Sieg künden und verweist Herrscher vom Platz. Der nunmehr gläserne Sockel des ehemaligen Standbildes bleibt fortan leer und lässt Raum für eigene Vorstellungen. An die Stelle von ideologisch erstarrten Figuren treten lebendige Menschen. Das neue Denkmal überführt ein Standbild in ein sich veränderndes "Bewegtbild". Das gläserne Dach der Kolonnaden ist allen zugänglich und bringt das "Volk" auf Augenhöhe mit der Schlossfassade. Es verschafft dem Einzelnen eine exponierte Stellung und einen weiten Blick über den gesamten Platz. Vergangenes und Gegenwärtiges werden vor Augen geführt und Weitsicht auf Zukünftiges ermöglicht. Das historische Bodenmosaik des alten Nationaldenkmals wird konserviert und durch einen transparenten Glasboden geschützt. Analog zur alten Inschrift und Widmung wird an gleicher Stelle ein transparentes, die gesamten Kolonnaden umlaufendes Band mit einer transparenten LED-Laufschrift installiert, auf dem das Wort EINHEIT in allen Nationalsprachen der Welt (auch Minderheitensprachen) zu lesen ist.

Das neue Denkmal mit seinen spiegelnden Oberflächen bildet das gesamte Areal und dessen Geschichte auf seiner Außenhaut ab und lässt in diesem Zusammenhang stets neue Verbindungen und Interpretationen aufscheinen. Umgekehrt spiegelt sich die LED-Laufschrift in allen glänzenden Oberflächen und "projiziert" die vielsprachige "Einheit" auf die Umgebung zurück.
[START]___[Text]____[Text 2]___[ABBILDUNG | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 ]